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Große Herausforderung der Ägyptologie

(IN VORBEREITUNG)

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Abb. Description de l’Égypte (2. Auflage, 37. Bände, 1920-1826) in der Schlossbibliothek des Fürsten Festetics de Tolna in Kesthely. Mit freundlicher Genehmigung der Bibliothek des Helikon Schlossmuseums von Keszthely (A keszthelyi Helikon Kastélymúzeum könyvtára).

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Abb. Eine der kolossalen Säulen des Septimius Severus in Antinopolis. Fotographie des Autors nach Description de l’Égypte, 2. Auflage, Band IV (1822), Taf. 59. Mit freundlicher Genehmigung der Bibliothek des Helikon Schlossmuseums von Keszthely.

 

Abb. Torso einer Antinous-Statue aus Antinopolis (Ansicht der Vorder- und Rückseite). Fotographie des Autors nach Description de l’Égypte, 2. Auflage, Band IV (1822), Taf. 59 (heute verschollen). Mit freundlicher Genehmigung der Bibliothek des Helikon Schlossmuseums von Keszthely. War diese Statue einst auf dem Grab des Antinous aufgestellt?

 

Abb. Panorama von Antinopolis von Südwesten im Jahr 1809 (Description de l’Égypte) mit säulenflankierten cardo maximus und decumanus. Oben links die Überreste des Hyppodroms und in felsige Bergabhänge der arabischen Wüste führendes Wadi Chamous mit dem Tombeau d´Antinoüs (Grab des Antinous?)

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Abb. Karte von Antinopolis mit Umgebung aus dem Jahr 1809 (Description de l’Égypte). Bemerkenswert ist die Markierung einer monumentalen Grabanlage (Tombeau) nördlich des cardo maximus (mit Säulen flankierte Prachtstraße des Kaisers Septimius Severus). Spätere Forschungen haben gezeigt, dass es sich nicht um das Grab des Antinous handelt und um keine Grabstätte, sondern um einen gewaltigen Portikus am Ende des Straße.

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Abb. Die Schüler mit ihrem Meister im Tempel von Luxor um 1887. Von links nach rechts: Frédéric Joseph René Maxence de Chalvet, marquis de Rochemonteix (französischer Markgraf und Ägyptologe), Albert Gayet (der erste Ausgräber von Antinopolis), Jan Herman Insinger (niederländischer Kaufmann in Ägypten, genannt Abu Shanab), Charles Edwin Wilbour (amerikanischer Geschäftsmann und Ägyptologe) und Gaston Maspero (Leiter des ägyptischen Service des Antiquités de l’Égypte und des Bulaq-Museums, ordentlicher Mitglied der Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, sein Name ist verbunden mit sensationellem Fund von “La Cachette” in Deir el-Bahari mit antikem Versteck altägyptischer Königsmumien, unter ihnen auch die von Pharao Ramses II.).

 

Abb. Albert Gayet bei Ausgrabungen in Antinopolis im Jahr 1904 (L´Égypte Antique, les fouilles de M. Gayet à Antinoé). Bei seinen Ausgrabungen wurden tausende spektakuläre Mumien aus verschieden Epochen gefunden, aber kein Grab des Antinous.

 

Abb. Die Generalkarte der Ausgrabungen von Albert Gayet in Antnopolis aus dem Jahr 1912 mit einzigartiger Markierung als “Tombeau d´Antinoüs” (Grab des Antinous?) östlich der Stadt am Ende des Wadi Chamous.

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Abb. Topographische Karte der Ruinen von Antinopolis und der Stadtmauer nach J. de Monins Johnson aus dem Jahr 1914 mit Markierung der Überreste des monumentalen Gebäude am nördlichen Ende des cardo maximus, die als Grabanlage dienen dürfte (Restes d´un édifice qui paroit avoire servi de Tombeau). Als Vorlage für die Karte diente der Stadtplan in Description de l’Égypte.

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Antike Quellen

Clemens von Alexandrien, Protreptikus 4. 49, 1-3:

(1) Καινὸν δὲ ἄλλον ἐν Αἰγύπτῳ, ὀλίγου δεῖν καὶ παρ’ Ἕλλησι, σεβασμίως τεθείακεν θεὸν ὁ βασιλεὺς ὁ Ῥωμαίων τὸν ἐρώμενον ὡραιότατον σφόδρα γενόμενον, Ἀντίνοον, ὃν ἀνιέρωσεν οὕτως ὡς Γανυμήδην ὁ Ζεύς· οὐ γὰρ κωλύεται ῥᾳδίως ἐπιθυμία φόβον οὐκ ἔχουσα· καὶ νύκτας ἱερὰς τὰς Ἀντινόου προσκυνοῦσιν ἄνθρωποι νῦν, ἃς αἰσχρὰς ἠπίστατο ὁ συναγρυπνήσας ἐραστής. (2) Τί μοι θεὸν καταλέγεις τὸν πορνείᾳ τετιμημένον; τί δὲ καὶ ὡς υἱὸν θρηνεῖσθαι προσέ ταξας; τί δὲ καὶ τὸ κάλλος αὐτοῦ διηγῇ; αἰσχρόν ἐστι τὸ κάλλος ὕβρει μεμαραμμένον. Μὴ τυραννήσῃς, ἄνθρωπε, τοῦ κάλλους μηδὲ ἐνυβρίσῃς ἀνθοῦντι τῷ νέῳ· τήρησον αὐτὸ καθαρόν, ἵνα ᾖ καλόν. Βασιλεὺς τοῦ κάλλους γενοῦ, μὴ τύραννος· ἐλεύθερον μεινάτω· τότε σου γνωρίσω τὸ κάλλος, ὅτε καθαρὰν τετήρηκας τὴν εἰκόνα· τότε προσκυνήσω τὸ κάλλος, ὅτε ἀληθινὸν ἀρχέτυπόν ἐστι τῶν καλῶν. (3) Ἤδη δὲ τάφος ἐστὶ τοῦ ἐρωμένου, νεώς ἐστιν Ἀντινόου καὶ πόλις· καθάπερ δέ, οἶμαι, οἱ ναοί, οὕτω δὲ καὶ οἱ τάφοι θαυμά ζονται, πυραμίδες καὶ μαυσώλεια καὶ λαβύρινθοι, ἄλλοι ναοὶ τῶν νεκρῶν, ὡς ἐκεῖνοι τάφοι τῶν θεῶν.

(1) Einen anderen neuen Gott hat in Ägypten, ja beinahe auch bei den Griechen, der römische Kaiser geschaffen und als Gott verehren lassen, nämlich seinen so unvergleichlich schönen Geliebten Antinous, den er ebenso unter die Götter versetzte wie Zeus den Ganymedes; denn wenn die Begierde nichts zu fürchten hat, lässt sie sich nicht leicht hemmen. Und nun verehren die Leute die heiligen Nächte des Antinous, von deren Schande der Liebhaber wusste, der sie mit ihm durchwachte. (2) Was nennst du mir den einen Gott, dessen Ehre in Unzucht bestand? Und warum befahlst du sogar, ihn wie einen Sohn zu betrauern? Und warum redest du auch von seiner Schönheit? Hässlich ist die Schönheit, die durch Schändung ihrer Blüte beraubt ist. Vergewaltige nicht, Mensch, die Schönheit und schände nicht die Blüte des Jünglings! Bewahre die Schönheit rein, damit sie schön sei! Werde ein König der Schönheit, nicht ein Gewaltherr! Frei soll sie bleiben. Dann will ich deine Schönheit anerkennen, wenn du ihr Bild rein erhältst. Dann will ich der Schönheit huldigen, wenn sie das wahre Vorbild des Schönen ist. (3) Da gibt es ferner eine Grabstätte des Geliebten, einen Tempel und eine Stadt des Antinous. Und wie die Tempel, so werden, meine ich, auch die Grabstätten bewundert, Pyramiden und Mausoleen und Labyrinthe und andere Tempel der Toten, so wie jene [die Tempel] Gräber der Götter sind.

 

Epiphanius von Salamis, Ancoratus 106, 7-9:

(7) καὶ ἁπλῶς ὁμολογῶ σοι, περικακῶ τὰς κακὰς αὐτῶν πράξεις καταλογάδην ἀναγράψαι. (8) ἔτι δὲ βασιλεῖς καὶ τύραννοι ἀπηνέστατοι, ἐπιποθήτους τινὰς ἐσχηκότες καὶ τούτους ἐν γῇ κατορύξαντες, πλέον τι μὴ ἔχοντες τούτοις χαρίσασθαι (οἷα δὴ καὶ αὐτοὶ φθαρτοὶ κατ’ αὐτοὺς ὄντες), εἰς τὴν ἐκείνων εὔνοιαν τοὺς τάφους αὐτῶν ἐπὶ πλάνῃ τοῦ βίου τοῖς ἰδίοις ὑπηκόοις ἐπὶ κακῇ προφάσει ὡς θεῶν θρῃσκεύεσθαι παραδεδώκασιν, ὡς ὁ Ἀντίνους ὁ ἐν Ἀντινόου κεκηδευμένος, (9) καὶ ἐν λουσορίῳ πλοίῳ κείμενος ὑπὸ Ἀδριανοῦ οὕτως κατετάγη.

(7) Doch, um kurz zu sein, gestehe ich gerne, daß es mich verdrießt, einen förmlichen Lasterkatalog1 zusammenzustellen. (8) Zu alledem haben ja Könige und unmenschliche Tyrannen manche ihrer Lieblinge, nachdem dieselben begraben waren und sie ihnen keinen anderen Beweis ihrer Gunst und Liebe mehr geben konnten, indem sie ja auch selbst sterbliche Menschen waren, unter ganz verwerflichen Vorwänden von ihren Untertanen göttlich verehren und ebenso ihren Grabdenkmälern göttliche Huldigung erweisen lassen. So wurde Antinous, der in der ihm geichnamigen Stadt starb (9) und in einer Lustbarke begraben wurde, von Hadrian unter die Götter versetzt.

 

 

Abb. Kaiser Hadrian und Antinous (Ebers-Gallerie. Gestalten aus den Romanen von Georg Ebers. Nach Gemälden, Stuttgart & Berlin 1884).

Zusammenfassung

Seit Generationen suchen Ausgräber, Abenteurer und Dilettanten, aber auch seriöse Wissenschaftler unter den Ägyptologen, nach rätselhaften Relikten der Vergangenheit. Seit großen archäologischen Entdeckungen in der zweiten Hälfte des 19. und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, die unerwartet atemberaubende Funde aus den Königsgräbern der alten Pharaonen an Tageslicht brachten, gibt es im Land am Nil noch sehr viel unentdecktes. Die Möglichkeit weiterer spektakulärer Entdeckungen im Land der Pharaonen wurde von der “puritanischen Mainstream” der grauen ägyptologischen Prominenz schon immer weitgehend bestritten. Alle derartige Versuche wurden als “Fantastereien” bloßgestellt, obwohl die zeitgenössischen historischen Berichte und Hieroglyphen – obwohl zwar sehr spärlich – in ihren Zeugnissen jedoch ziemlich treffend und zuverlässig sind. Vor allem die parteipolitisch unabhängigen, ja sogar kritischen zeitgenössischen Quellen wissen darüber mehr zu erzählen. So auch in der Frage nach der letzten Ruhestätte des Antinous, des griechisch-bithynischen Günstlings am Hofe des römischen Kaisers Hadrian, der nach seinem frühen Tod durch das Ertrinken in den Fluten des Nils nahe des oberägyptischen Hermopolis, göttliche Ehren eines legendenhaften Osiris erlangte. Über die mysteriösen Ursachen des Ertrinkens gehen die antiken Quellen, die nach dem Tode des Kaisers kompiliert worden sind, sowie die moderne Forschung, sehr auseinander, so etwa lassen sowohl Cassius Dio, Aurelius Victor als auch Scriptores Historiae Augustae  mehre Möglichkeiten offen: Der Todesumstand wird entweder als ein unglücklicher Unfall, ein Suizid durch die Unerträglichkeit übermässiger homoerotischer Nachstellung, eine durch ein Astrologieorakel prophezeite Notwendigkeit einer Selbstaufopferung des geliebten Wesens für die Langlebigkeit des Kaisers (Cassius Dio) oder gar Intrigenmord am kaiserlichen Hof, von dem aber am meisten noch die eifersüchtige Kaiserin Vibia Sabina profitieren würde. In tiefer Trauer gefallener Kaiser tröstete sich mit der Deifikation des Knaben.

 

Abb. Kaiser Hadrian weint über die Leiche von Antinous (Radierung von Bartolomeo Pinelli, 1829).

 

Zur Erinnerung an die Verlust des Antinous gründete er an der Stelle des Ertrinkens am ostlichen Ufer des Nils (gegenüber Hermopolis) eine neue Großstadt nach römischen Muster mit cardo – decumanus Hauptachsen, römischen Theater, Hippodrom, Bibliothek (hier wurden bei Ausgrabungen zahlreiche zerstreute Papyri entdeckt) und nannte sie Antinopolis. Er ließ Sportwettkämpfe veranstalten, die ebenfalls seinen Namen trugen und im ganzen Reich stiftete er Tempel und kunstvolle Statuen zu göttlichen Verehrung seines liebsten. Als hoher Gott soll er Gebete erhört und Kranke geheilt haben, was nicht zuletzt auf scharfe Kritik frühchristlicher Patristik stieß. Durch die Wiederentdeckung des antiken Roms, vor allem aber durch Johann Joachim Winckelmann ästhetische Studien über Monumente des griechisch-römischen Altertums, wurde diese jugendliche Gestalt als Schönheitsideal der klassischen Kunstgeschichte weltberühmt.

Nicht zuletzt durch diese literarischen und kunsthistorischen Gegebenheiten angeregt, begaben sich nach der napoleonisch-ägyptischen Expedition Ende des 18. Jahrhunderts und nach der ersten Aufzeichnung und Kartographie architektonischer Altertümer von Antinopolis in “Description de l’Égypte” (1801 -1809) bald zahlreiche Enthusiasten und Abenteurer nach Oberägypten, um bei dem unbedeutenden Felachendorf Sheikh Ibada hundert Jahre später erste detailierte Feldforschungen und Ausgrabungen zu unternehmen. Die Archäologie von Antinopolis ist seit dem eng mit den Namen wie A. Gayet, J. de Monis Johnson und A. Bonet verbunden, um nur die wichtigsten zu nennen, wobei jeder seine eigene mehr odr weniger treffende Theorie von der Lage des Antinoeion, des Tempels bzw. des Mausoleums für Antinous. Die Überreste der Stadt erstrecken sich über ein großes Areal, sind aber heute weitgehend zerstört und unterliegen noch weiter der Plündeung der Einheimischen. Die Monumentalen Denkmäler von Antinopolis, die in der napoleonischen “Description de l’Égypte” noch graphisch notiert sind, wurden rücksichtslos abgetragen oder als Spolien in Häuser und nahegelegene Wirtschaftsobjekte eingebaut.

Unser Wissen über die genau Lage des Mausoleums des Antinous ist mangelhaft. Alle Versuche seiner Lokalisierung sind bislang fehlgeschlagen und sprengen als wage Vermutungen kaum den Bereich des Spekulativen. Nach Auswertung aller zur Verfügung stehender antiker Berichte und spärlich erhaltener epigraphischer Denkmäler ist es noch am plausibelsten anzunehmen, dass die wohl nach ägyptischer Art einbalsamierte Mumie des Antinous in einem für ihn gebauten Mausoleum in Antinopolis bestatten wurde. Diese eponyme römische Neugründung des Hadrian war ein Kultzentrum des synkretistisch verschmolzen Antinous mit Osiris. Aus Ägypten verbreitete sich diese neue Religion vor allem im östlichen Teil des römischen Imperiums aus, wo sie bis zum Einbruch des Christentums fortbestand, sie fand aber bis zum Ableben des Kaisers Hadrian auch in Rom ihre kultische Präsenz. Der Kult des Osirantinous etablierte sich also nicht nur im Osten des Reiches, wie die ältere Forschung es angenommen hatte. Erst im Jahr 1998 gelang es den Archäologen im Rahmen einer großangelegten Ausgrabung im Bereich der Vila Hadriana im römischen Tivoli auf die Spuren eines monumentalen Antinoeion (Tempel des Antinous) zu stoßen. Schon seit der Renaissance war aber in Rom ein Obelisk aus ägyptischen Rosengranit bekannt, der nach der Entzifferung der Hieroglyphen als ein Indiz auf das Grab des Antinous große Rolle spielen sollte.

 

Abb. Obeslisk zu Ehren des Antinous, sog. “Barberini Obelisk” nach dem Kupferstich von Joan Blaeu, herausgegeben von Pierre Mortier 1704), markierte ursprünglich die Begräbnisstätte des Antinous. Das Denkmal wurde im 16. Jahrhundert zwischen den Ruinen des Circus Varianus (von Kaiser Elegabal gebaut) gegenüber der Porta Maggiore und Grabeskirche von Jerusalem gefunden. Er wurde um 1586 in den Garten des Palazzo des Francesco Barberini gebracht. Um die Inschrift zu entziffern, holte der Kardinal den Jesuiten Athanasius Kircher nach Rom, der diese 20 Jahre später auch veröffentlichte.

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Die Interpretation des Obelisken wird in der ägyptologischen Wissenschaft äußerst kontrovers diskutiert. Die Meinungen der Experten gehen betreffend seine Herkunft, seine ursprünglichen Lage in situ sowie Deutung der Hieroglyphen sehr auseinander. In einem Punkt übereinstimmen sie jedoch, nämlich, dass der Obelisk ursprünglich im Mausoleum des Antinous aufgestellt worden war, bzw. den Grab des Antinous markierte. Offen bleibt nur die Frage wo genau. In Rom oder in Ägypten?

Aufgrund der Übersetzung der teilweise schwer lesbaren Inschriftenkolumne, die außerdem auch etwas verwirrend über die Lage des göttlichen Grabes aussagt, nimmt die Forschung die Lokalisierung des Obelisken und damit die des Grabes des Antinous abhängig von zwei Lesungen der Präposition “m”: Entweder “in Rom” und dementsprechend in den Adonis-Gärten auf dem Palatin (Grenier und Coarelli) oder “von Rom” und so etwa außerhalb Roms innerhalb der Villa Adriana in Tivoli (was Derchain schon 1975 vermutete, also vor der Entdeckung des römischen Antinoeion im Jahre 1998). Weitere Lokalisierungen in den Gärten der Domitia (Kaiserinmutter) bzw. im Bereich des Hadrian-Mausoleums (der Engelsburg). Bemerkenswerterweise befindet sich inmitten des Antinoeion zwischen beiden gegenüberliegenden Tempeln ein fester Sockel im Ausmaße 3 x 3 m, der von dem Ausgräber als Basis für den Barberini Obelisken gedeutet wird, der darauf in situ gestanden haben könnte. Auf einem in der Villa gefundenen und im Kapitolinischen Museum in Rom aufbewahrten Krateros ist eine ägyptisierende Darstellung mit einem Obelisken zu sehen, dessen sepulkraler Charakter durch den Tannenzapfen auf seiner Spitze betont wird. Falls es sich tatsächlich um denselben Obelisken handeln dürfte, würde der Umstand, dass er im Antinoeion von Tivoli einzeln aufgestellt war, während die Ägypter die Obelisken immer paarweise aufstellten, auf seine funeräre Sonderstellung als Grabmonument hindeuten.

 

Auf einer der Seiten des Obelisken lässt sich diese Hieroglyphen-Inschriftach fachwissenschaftlich folgenderweise übersetzen:

 

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Auf einer der Seiten des Obelisken lässt sich diese Hieroglyphen-Inschriftach fachwissenschaftlich folgenderweise übersetzen:

 

nTr ntj jm ntj Htp m jAt tn nt(j) m-Xnw n sxt tAS n nb[.] wAs [..]hArma

“Antinous, der hier im Innern des Gartens begraben liegt, der im Besitz des Prinzen von Rom ist”

(Granier, 1986)

 

“The god (Antinous) who is yonder (deceased), who rests in this mound which is within the field of the border of the lord of might [..]Rome”

(Grimm – Kessler – Mayer, 2010)

 

ḥsy (?) nty im nty ḥtp m i3t tn n(ty)t m-ḫnw sḫt tš n nb w3s [m] H3rmʿ.

Le bienheureux qui est dans lʾAu-delà et qui reponse en de lieu consacré qui se trouve à lʾíntérieur des Jardins du domaine du Prince dans Rome.

(Grenier, 2014)

 

“Der Gott, welcher dort ist, der ruht in dieser Stätte, die sich befindet im Inneren des Grenzfeldes des nbw wȝs (oder der nb.t wȝs): Rom.”

(Graefe, 2014)

 

In Anbetracht der oben dargestellten Übersetzungen, gebe es weitere methodische Erläuterungen und Interpretation im Zusammenhang mit der Lokalisierungsversuchen.  Zieht man Antinopolis als letzte Ruhestätte des Antinous in Betracht, muss man sich mit einigen chronologische Kuriositäten auseinandersetzen. Da die Textanalyse des Obelisken mit definitiver Lokalisierung der Grabes und ursprünglichem Standort des Obelisken keinesfalls kompatibel ist, wie dies bereits D. Kessler (1994) konstatierte. Während Kessler auf Obelisken das Festgeschehen des Gottes Osirantinous sieht, weil die Obeliskeninschriften auf ägyptische Festprozessionen hinweisen sollen. Ihre Anbringung bezog sich hinsichtlich ihrer Ausrichtung auf die Himmelsrichtungen demnach auf die Standorte der jeweiligen Tempel in Antinopolis. Das das nicht beweisbar sein sollte, legt die Feststellung nahe, dass die Seitenausrichtung des vermutlich falsch zusammengestellten gebrochenen Obelisken weder am Originalstandort noch am heutigen Aufstellungsort auf Monte Pincio der Himmelsrichtungen entspricht, auch die Tatsache, dass die Tempel in Antinopolis im Gelände auch nicht mehr sicher bestimmbar sind (Graefe 2012).

Wenn der Obelisk ursprünglich in Antinopolis aufgestellt worden war, dürfte er unter Kaiser Septimius Severus nach Rom gebracht worden, wo er schließlich auf Spine des Circus Varianus als Dekorationsstück landete. Ob die einbalsamierte Leiche des Antinous bereits Kaiser Hadrian mit sich nach Rom genommen hat (die Mumifizierung war ein langwieriger Prozess, die mehrere Monate in Anspruch nahm!) ist oft diskutiert worden. Jedoch sind “Transporte” ägyptischer Mumien im alten Rom ziemlich geläufig gewesen.

Es ist auch vermutet worden, dass die Art der Bearbeitung sowie die Sprache auf dem Obelisken auf einen in Rom lebenden ägyptischen Steinmetz hinweisen würden, der bereits außer Übung war und auch lateinische oder griechische Textvorlage benützte. J.-C. Grenier (2014) haltet es also für plausibel,  dass der Obelisk ein stadtrömischer Erzeugnis in Rom gewesen sein dürfte und dass sein Transport von Mittelägypten nach Rom im 3. Jahrhundert wenig Sinn ergeben würde, da in Antinopolis (wie auch in Oxyrinchos) zu dieser Zeit ein Antinous-Kult noch nachweislich lebendig war. Demnach könnte die Überführungsgeschichte ganz anders gelaufen haben: Die ursprünglich – laut Obelisken – in Rom aufbewahrte Mumie, wurde später aus Rom wieder zurück nach Ägypten transportiert, denn man wollte in den Jahrzehnten nach dem Tode Hadrians von diesem lästigem Relikt in Rom loswerden. Das wäre ganz und gar sehr verständlich gewesen, bis man nicht wüsste, wer dafür die Initiative genommen hätte (Antoninus Pius?) – diese Verantwortung wäre in Rom ein beachtliches Politikum geworden. Wurde aber die Leiche tatsächlich nach Ägypten überführt, erklärt das dann den Bericht des antiken christlichen Autor Epiphanius von Salamis, der im 4. Jahrhundert über eine luxuriöse Barke mit der Leiche des Antinous in Antinopolis berichtet (Grenier, 2014).

Schon Albert Gayet, der erste Ausgräber von Antinopolis und der Entdecker des Ramsesseum in der pharaonischen Vorstadt, interpretierte diese Barke bei Epiphanios als ein zeremonielles Schiff für die Prozession des Osiris im Grabestempel des Ramses II. in Antinopolis. Auch J. de Monins Johnson dachte an einer Zeremonie zu Ehren des Osiris-Antinous vor Ort seines Ertrinkens.

Jedoch haben neuere Forschungen in Antnopolis keinerlei Beweisspuren eines derartigen Prozessionskultes zu Ehren des Osiris bzw. Antinous gefunden. Außerdem wurde das von A. Gayet mit Isis identifizierter Heiligtum als römische Toranlage klargestellt, das sogenannte Tempel des Serapis hat sich jedoch als eine Kirche erwiesen. Wo lag aber dann das Grab des Antinous (Mausoleum für Antinous) in Antinopolis? In Rom wurden sein Obelisk, sein Mausoleum und auch die Urne des Kaisers Hadrian während Völkerwanderungszeit zerstört. Liegt er doch in der Totenstadt in einem bergigen “Wadi” östlich seiner Stadt am Nil in einem Versteck vor Plünderer begraben, wo sich noch zahlreiche unerforschte Patriziergräber dieser römischen Großstadt befinden?

An der Nordseite des prachtvollen Cardo befand sich noch auf dem napoleonischen Stadtplan von Antnopolis ein Gebäude (Tombeau), von dem oft angenommen wird, dass es das Grab des Antinoos sei. Außerhalb der Stadt im Osten befand sich ein Zirkus oder Hippodrom, das für die Spiele des Antinous genutzt wurde. Auf dem Stadplan von A. Gayet (1900) sieht man östlich des Hyppodroms eine Talstraße (genannt Wadi al Chamus), die in die Abhänge der arabischen Wüste führt. Dort vermutete der namhafte Franzose wahrscheinlich die mögliche Lage des Mausoleums für Antinous (markiert als “Tombeau d´Antinoüs” –  Grab des Antinous). Der englische Papyrologe J. De M. Johnson, der in Nachfolge Gayet´s 1914 die archäologischen Feldarbeiten in Antinopolis fortsetzte, ist in seinem Ausgrabungsbericht zuversichtlich, das Gebäude auf der napoleonischen Zeichnung wieder für das Grab des Antinous zu halten, während H. I. Bell in seiner Untersuchung von 1940 eher zurückhaltend ist. Beide kommentieren die Gayet´sche extra muros Markierung des “Tombeau d´Antinoüs” nicht. Die mysteriöse Markierung bedarf eine nähere fachgerechte Autopsie vor Ort. Neure Forschungen haben jedoch bewiesen, dass sich beim napoleonischen “Tombeau” im Norden des cardo bloß um römische Propyläen am Straßenende handelt.

 

 

Abb. Das Tal der Gräber nord-östlich von Antinopolis, nach A. Gayet (1902). Verbergen vielleicht die Sandverwehungen in den zahlreichen Wadis nahe der Stadt Antinopolis das Grab des Antinous?

 

Wegen der wohl ziemlich undeutlichen Inschrift auf dem Obelisken und Spekulationen über seinen historischen Verbleib bleiben also eine primäre oder auch eine sekundäre Bestattung in Antinopolis im Bereich des Wahrscheinlichen, obwohl letztendlich alle Deutungsversuche keine Rahmen einer bloßen Kombinatorik verschiedener Interpretationen sprengen würden, bis weitere exakte Untersuchungsergebnisse der archäologischen Autopsie vor Ort nicht zum erwünschten Ziel führen.

So scheinen die Ziele des französischen Gelehrten Albert Gayet, einer Tages die sagenhaften Reichtümer der Gräber der elitären Oberschicht von Antinopolis ans Tageslicht zu fördern, quasi ein Apell an die nächsten Generationen von Archäologen, das er in seiner Studie über Thaïs et Serapion (1902) folgenderweise zum Ausdruck brachte:

 

“Un double but reste à atteindre pourtant: retrouver ces tombes patriciennes; retrouver celles des pontifes du culte de L`Osiris-Antinoüs et les triomphateurs des jeux olympiques. Mais un but suprême est plus haut encore: retrouver le tombeau d’Antinous. Quelle richesse ne nous révélerait point ces tombes, à en juger par ce que rendent celles des classes moyennes! Ce serait le Iuxe faliuleux de la décadence de Rome et de Byzance devenu palpable; les vêtements de tissus précieux, les bijoux d’or, les parures de joyaux!”

 

Albert Gayet, Antinoë et Les Sepultures De Thaïs et Serapion (1902), S. 61

 

Ein doppeltes Ziel bleibt jedoch noch zu erreichen: Diese Gräber der Patrizier wiederzufinden, die der Päpste des Kultes von Osiris-Antinous und die der Triumphierende der Olympischen Spiele. Aber ein oberstes Ziel ist noch immer der höchste: Die Wiederfindung des Antinous-Grabes. Welche Reichtümer würden uns wohl diese Gräber offenbaren, um nach dem zu urteilen, was sich die Mittelschicht geleistet hat. Das wäre greifbar gewordener trügerischer Luxus der Dekadenz von Rom und Byzance: Kleidung aus kostbaren Stoffen, Goldschmuck, die Juwelenverzierungen!

 

[Übersetzung des Autors aus dem Französischen]

 

Um mit optimistischen Worten des ersten Ausgräbers von Antinopolis, die er bei einem in Le Carnet veröffentlichen Vortrag in Paris dem Zuhörern enthusiastischen mitgeteilt hat, dieses meine Exposé zu schließen:

 

“Il nous reste, maintenant, à retrouver les héros des jeux olympiques; les acteurs du théâtre où se jouaient les pièces, composées en l’honneur de l’Osiris Antinous. Le cirque est encore debout; à peine s’il a perdu le revêtement de ses gradins: les arasements du théâtre sont reconnaissables. Et alors, nous remettrons en scène le tableau fantastique des fêles célébrées; nous verrons, non en évocation, mais en images réelles, les chars rouler sur l’arène; les blessures saignantes des gladiateurs; les représentations du ihéâlre; les cortèges bachiques, déroulés au son des flûtes et des crotales. Et, il ne nous restera alors qu’à découvrir, à leur tour, les patriciens ; puis, à arriver au but suprême : retrouver le tombeau ou le cénotaphe d’Antinous.”

 

Albert Gayet Ma neuvième Campagne de fouilles à Antinoë, in: Le Carnet 22 (Paris 1904), S. 62.

 

“Wir müssen jetzt die Helden der Olympischen Spiele neu entdecken. Die Schauspieler des Theaters, in dem die zu Ehren des Osiris Antinous komponierten Stücke aufgeführt wurden. Der Zirkus steht noch; es hat kaum die Abdeckung seiner Tribünen verloren. Die Einebnung des Theaters ist erkennbar. Wir werden das fantastische Bild der gefeierten Feste nachspielen. Nicht in Beschwörung, sondern in realen Bildern werden wir die Wagen sehen, die auf der Arena rollen, die blutenden Wunden von Gladiatoren, die Darstellungen des Theaters, die bacchanalischen Prozessionen, entrollt zum Klang von Flöten und Klapperschlangen. Es bleibt uns dann nur noch ihrerseits die Patrizier zu entdecken und dann das höchste Ziel zu erreichen, das Grab des Antinous oder den Kenotaph zu finden.”

[Übersetzung des Autors aus dem Französischen]

 

“Petite âme, âme tendre et flottante, compagne de mon corps, qui fut ton hôte, tu vas descendre dans ces lieux pâles, durs et nus, où tu devras renoncer aux jeux d’autrefois. Un instant encore, regardons ensemble les rives familières, les objets que sans doute nous ne reverrons plus… Tâchons d’entrer dans la mort les yeux ouverts…”

M. YourcenarMémoires d’Hadrien (1951).

L I T E R A T U R :

 

Bell, H. I.: Antinoopolis: A Hadrianic Foundation in Egypt, in: The Journal of Roman Studies 30 (1940), S. 145-146. 

Eileen Fox, T.: The Cult of Antinous and the Response of the Greek East to Hadrian´s Creation of God,  A Thesis Presented to The faculty of The College of Arts and Sciences Ohio University In Partial Fulfillment of the Requirements for Graduation with Honors From the College of Arts and Sciences with the degree of Bachelor of Arts in Classical Civilizations, Ohio (May 2014).

Erman, A.: Der Obelisk des Antinous, in: MDAIR 11/2 (1896), 121 f.

Gayet, A.: L’Exploration des ruines d’Antinoë et la découverte d’un temple de Ramsès II enclos dan l’enceinte de la ville d’Hadrien, Paris 1897.

Idem, L’Exploration des ruines d’Antinoë et la découverte d’un temple de Ramsès II enclos dans l’enceinte de la ville d’Hadrien, in:  Annales du musée Guimet XXVI 3 (1897), S. 5-51.

Idem, Le Costume en Égypte du IIIe au XIIIe siècle, Paris 1900.

Idem, Antinoë et Les Sepultures De Thaïs et Serapion, Paris 1902.

Idem, Fantômes d’Antinoë: les sépultures de Leukyoné et Myrithis, Paris, Société française d’éditions d’art, 1904.

Idem, Ma neuvième Campagne de fouilles à Antinoë, in: Le Carnet 22 (Paris 1904), 58-69.

Graefe, E.: Der Kult des Antinoos und die Stadt Antinoupolis in Ägypten. Beiträge aus der Sicht eines Ägyptologen, in:  Zwischen Antike und Moderne. Festschrift für Jürgen Malitz zum 65. Geburtstag (A. Hartmann – G. Weber, Hg.), Speyer 2012, S. 211-232.

Grenier, J.-C. –  Coarelli, F.: La tombe d’Antinoüs à Rome, in: MEFRA 98 (1986), 217–253.

Grenier , J.-C.: L´Osiris Antinoos, Montpellier 2014 (im Internet veröffentlicht).

Grimm, A. Kessler, D. – Meyer, H.: Der Obelisk des Antinoos. Eine kommentierte Edition, München 1994.

Johnson, J. de M.: Antinoe and Its Papyri: Excavation by the Graeco-Roman Branch, 1913-14, in: The Journal of Egyptian Archaeology 1 (July 1914), S.

Parkinson, R. B.: Imaginary Histories: Ancient Egypt in the writings of Marguerite Yourcenar and Philippe Derchain, In memory of Philippe Derchain, in: Le souvenir imaginaire, Verviers 1996, 65 ff.